WIR SIND MEERBUSCH: *Eine Gemeinschaft - *8 Stadtteile - *unzählige Möglichkeiten

Rede des Bürgermeisters zur Einbringung des Haushalts 2024

Verehrte Damen und Herren des Rates,

liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im Publikum,

  • „Bürgermeister in Sorge – Wir stehen an der Abbruchkante“
  • „NRW-Verwaltungsspitzen schlagen Alarm: Kommunale Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden ist in Gefahr“
  • „Kommunen vor dem Finanzkollaps: Gebührenhammer droht“
  • „Hilferuf aus dem Rathaus: Wir fahren mit Karacho vor die Wand“

Zugegeben, auf den ersten Blick klingen sie schon ein wenig reißerisch, die Überschriften, die in der vorletzten September-Woche die Medien in Nordrhein-Westfalen bestimmten.

Alarmauslöser war ein Brandbrief, den der Städte- und Gemeindebund – unterzeichnet von über 350 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus ganz NRW (darunter selbstverständlich auch ich) – einen Tag zuvor an Ministerpräsident Henrik Wüst geschickt hatte.

Doch der darin in aller Deutlichkeit formulierte Hilferuf trifft exakt das, was nahezu alle Kommunen im Land derzeit zutiefst besorgt. Damit – so meine ich – ist dieses Alarmsignal auch eine überaus realistische Einleitung zur Einbringung des Haushalts unserer Stadt Meerbusch für das 2024.

Meine Damen und Herren,

landesweit sind die Kommunen an einem kritischen Punkt angekommen, die Belastungsgrenze ist erreicht, vielerorts gar überschritten. 40 Prozent der Städte und Gemeinden in NRW erwarten im kommenden Haushaltsjahr erhebliche Defizite und den Gang in die so genannte Haushaltssicherung – weitere 20 Prozent können heute noch nicht absehen, ob sich dieser Schritt noch abwenden lässt. … Etliche wissen darüber hinaus auch gar nicht mehr wie!

Auch Meerbusch hat inzwischen – was die finanzielle Grundsituation angeht – viel vom landläufigen Ruf, eine „Insel der Seligen“ zu sein, eingebüßt. Wen wundert’s? Auch bei uns haben sich die Rahmenbedingungen für städtisches Handeln massiv verschlechtert. Immer mehr Aufgaben und Projekte, immer weniger verfügbare Finanzmittel, dazu ein Fachkräftemangel, der die Mitarbeiterschaft unserer Verwaltung zunehmend unter Druck setzt. Dazu blockiert auch uns andauerndes Krisenmanagement noch zu oft für andere Aufgaben.

Hier sind nur ein paar nüchterne Zahlen, die den Trend eindrucksvoll widerspiegeln:

  • In den Jahren 2018 bis 2026 wird sich das Haushaltsvolumen unserer Stadt um 42 Prozent erhöhen,
  • die Mittel, die wir für erforderliche Investitionen aufbringen müssen, werden um fast 500 Prozent steigen.
  • Der Kreditbedarf für Investitionen wird im Planungszeitraum auf bis zu 239 Millionen Euro wachsen – und dies vor dem Hintergrund steigender Zinsen – eine Extrembelastung für die Haushalte der nächsten Jahre.

Die wesentlichen Ursachen für die Misere bedrängen uns von außen, auf der Faktenliste im Brandbrief der Verwaltungschefs an Henrik Wüst sind sie nahezu identisch verzeichnet:

  • Die Spätfolgen der Pandemie,
  • der russische Angriffskrieg auf die Ukraine,
  • weiter steigende Flüchtlingszuweisungen,
  • das Ende der Möglichkeit, Krisenschäden im Haushalt zu isolieren,
  • Aufgabenübertagung von Bund und Land an die Kommunen ohne entsprechende Finanzausstattung (zum Beispiel der Rechtsanspruch auf Betreuung im Offenen Ganztag ab 2026)
  • dringende und vielfach geforderte Investitionen in Schulentwicklung, Klimaschutz, Digitalisierung und Öffentlichen Personennahverkehr
  • und die gesamtwirtschaftliche Lage, u.a. mit rasant steigenden Baukosten und Zinsen

treiben die Kostenkurve erbarmungslos nach oben.

Krisenmanagement ist aktuell insbesondere bei der Unterbringung Geflüchteter erforderlich. Seit Wochen und Monaten erreichen uns konstant hohe Ströme Geflüchteter aus vielen unterschiedlichen Ländern – in den vergangenen Wochen haben sich diese Zahlen aufgrund des drohenden Winters und der sich weiter entwickelnden Konflikte weiter erhöht. Inzwischen werden uns allein nach Meerbusch wöchentlich 20 bis 30 neue Menschen zugewiesen, für die es Unterbringungen bereitzustellen gilt. Das Ausmaß ist inzwischen mit der Flüchtlingswelle aus 2015 vergleichbar. Wir stoßen hier – wie inzwischen fast alle anderen Kommunen der Republik – an unsere Belastungsgrenze.

Die von uns geschaffenen provisorischen Unterkünfte in den Turnhallen an der Stettiner Straße und am Neusser Feldweg werden in Kürze vollständig belegt sein, die Schaffung weiterer Kapazitäten im Gebäude der ehemaligen Barbara-Gerretz-Schule laufen auf Hochtouren, ebenso wie die Suche nach weiteren Standorten und die Planung neuer Einrichtungen durch Mobilbauten.

Neben einer adäquaten Unterbringung der bei uns Schutzsuchenden muss es auch das Ziel sein, die Einschränkung in der Nutzung öffentlicher Einrichtungen wie etwa Sporthallen oder anderer Gebäude, auf ein Minimum zu reduzieren. Dies stellt uns organisatorisch, personell und finanziell vor weitere Herausforderungen, die uns „on top“ zu den bereits bestehenden Aufgaben treffen. Und ein Ende ist bislang nicht in Sicht.

Ich fordere mit meinen Amtskollegen daher eindringlich Bund und Land auf, strategische und organisatorische Lösungen in der Frage der Migration zu schaffen, denn diese können auf kommunaler Ebene nicht erreicht werden.

Ungeachtet dieser Herausforderung wollen und müssen wir dennoch auch in anderen Bereichen weiter massiv investieren.

„Wer in Schulen investiert, investiert in Bildung unserer Kinder und damit in unsere Zukunft“, heißt es sehr richtig.

Heftig wird die Belastung dann, wenn Nachholbedarf aus der Vergangenheit und Anforderungen von außen zeitgleich den Investitionsdruck in die Höhe treiben. Genau diese Gemengelage wird uns in den kommenden Jahren bis 2026 einen Investitionsbedarf bei Baumaßnahmen von gut 234 Mio. Euro bescheren. Allein in der Schulentwicklung liegt bis dato ein Kostenvolumen von knapp 164,7 Millionen Euro – eine abenteuerlich anmutende Summe.

Das Land bekundet derweil stets neu die lobenswerte Absicht, die Schulträger bei der Sanierung und Modernisierung der Schulinfrastruktur zu unterstützen. Über das Wie gibt es aber bis heute keine verlässlichen Angaben.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

uns ist bewusst, dass das Land sich ebenfalls einer schwierigen Finanzlage gegenübersieht.

Ebenso ist uns bewusst, dass auch der Bund in erheblichem Umfang zu der strukturellen Krise der Kommunalhaushalte beigetragen hat. Spürbar weiter hilft uns diese schlichte Erkenntnis aber nicht.

Unsere Gestaltungsmöglichkeiten und Spielräume sind zusammengeschrumpft, die Rücklagen schmelzen. Parallel dazu steigt die Masse der Aufgaben und der zu lösenden Probleme weiter.

Die Folge: Unser Haushaltsentwurf heute weist einen Fehlbetrag von rund 5,6 Millionen Euro aus. Ohne die intensive, strenge Budgetberatung, die wir gemeinsam mit unseren Bereichsleitungen durchlaufen haben, läge der Betrag weit höher.

Das wird die Haushaltsberatungen, die jetzt anstehen, nicht eben leichter machen. Wir werden die sich auftürmenden Aufgaben nicht ohne empfindliche Neuverschuldungen bewältigen können. Dennoch ist es oberstes Gebot, weiterhin verantwortungsvoll zu wirtschaften. Einspartabus kann es jetzt nicht mehr geben! Wir befinden uns mitten in einer immensen wirtschaftlichen Herausforderung, bei deren Bewältigung wir auch naturgemäß divergierende politische Interessen hintan stellen müssen.

Dazu wird auch die simple Einsicht gehören, dass viele Dinge, die wünschenswert wären, (zurzeit) einfach nicht zu schultern sind. Diese Einsicht muss in die Bereitschaft münden, – auch wenn schon das Wort unbeliebt geworden ist – Verzicht zu üben. Das ist das Gebot der Stunde und mein Appell an Sie alle!

Ich bin guten Mutes, dass der Ernst der Lage auch bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt erkannt wird. Politik, Verwaltung, Bürgerschaft: Es ist an jedem von uns allen, Verständnis und Einsicht aufzubringen, wenn in den kommenden Jahren, die eine oder andere Schule später ausgebaut, die eine oder andere Straße später saniert oder die eine oder andere Forderung überhaupt nicht erfüllt werden kann. Es geht nicht um Einzelinteressen, sondern allein um das Wohl unserer Stadt und der Menschen, die hier leben!

Das große Ziel muss ein, schnellstmöglich – aber auch hier spreche ich über einen Zeitraum von mehreren Jahren – die Talsohle zu durchschreiten, um uns dann – hoffentlich wieder in ruhigerem Fahrwasser – selbstbestimmt unseren Aufgaben widmen können.